By Luke Sumpter


Terpene sind kleine, flüchtige aromatische Verbindungen, die eine grundlegende Rolle für den Geschmack, das Aroma und die Wirkung jeder Cannabissorte spielen. Sie kommen jedoch nicht nur in deinem Lieblingsgras vor. Diese Moleküle bilden die größte und vielfältigste Gruppe[1] natürlich vorkommender Verbindungen. Sie kommen überall in der Natur vor – von Orangenschalen und Kiefern bis hin zu Kräutern wie Rosmarin und Salbei. Cannabispflanzen selbst produzieren etwa 150 verschiedene Terpene. Von ihnen zählt Myrcen zu den am häufigsten vorkommenden. Diese faszinierende Chemikalie verleiht ausgewählten Kultivaren nicht nur eine breit machende Wirkung sowie einen Geschmack von Moschus und Früchten, sondern es laufen auch Untersuchungen, um ihr therapeutisches Potenzial zu ermitteln. Erfahre im Folgenden alles Wissenswerte über Myrcen!

Myrcene Cannabis Terpene

Die Chemie von Myrcen

Jedes Terpen kann als ein Puzzle betrachtet werden, das aus kleineren Einzelteilen, den sogenannten Isopreneinheiten, besteht – also aus Kohlenwasserstoffketten mit fünf Kohlenstoffatomen. Terpene werden je nach Anzahl dieser Kohlenwasserstoffbausteine in verschiedene Gruppen eingeteilt. Als kleinste Art von Cannabis-Terpen enthält Myrcen nur zwei Isopreneinheiten und damit insgesamt zehn Kohlenstoffatome. Aufgrund dieser Struktur gehört Myrcen zur chemischen Gruppe der Monoterpene, zu der auch Limonen, Terpinolen, Linalool und Pinen zählen. Diese einfachen Moleküle gehören zu den dominantesten[2] Terpenen in den meisten Cannabissorten.

Mit einem Molekulargewicht von 136,23 g/mol ist Myrcen von Natur aus flüchtig, also kann es bei Raumtemperatur leicht verdunsten. Daher sind Sorten, die einen hohen Anteil dieser Verbindung enthalten, während der Blütephase besonders aromatisch. Es ist wichtig zu wissen, dass Myrcen als zwei verschiedene Isomere vorkommt: α-Myrcen und β-Myrcen. Diese beiden Verbindungen haben dieselbe Summenformel, aber unterschiedliche strukturelle Anordnungen. β-Myrcen wird mit dem „Couch-Lock“-Effekt vieler verschiedener Cannabissorten assoziiert.

Myrcen und der Entourage-Effekt

In der Vergangenheit wurden Cannabinoide wie THC und CBD als alleinige Auslöser der Wirkung jeder Cannabissorte angesehen. Außerdem glaubte man, dass die Indica-/Sativa-Dichotomie darüber entscheidet, ob eine bestimmte Sorte bei den Konsumenten zu einem High- oder Stoned-Gefühl führt. Fortschritte in der Cannabisforschung haben diese Mythen inzwischen widerlegt. Das moderne Konzept der Chemovare und Chemotypen stuft die Wirkungen von Cannabissorten stattdessen anhand ihres Cannabinoid- und Terpengehalts ein.

Darüber hinaus besagt die Hypothese des Entourage-Effekts, dass Terpene eine grundlegende Rolle für die Wirkung jedes Chemovars spielen und mit Cannabinoiden zusammenwirken können, um deren Wirkung zu verstärken.

Während Terpene wie Humulen und Limonen das Endocannabinoid-System – das von THC und anderen Cannabinoiden getriggerte Netzwerk – direkt aktivieren[3], wirkt Myrcen auf andere Weise.

In einer an der University of Otago in Neuseeland durchgeführten Studie wurde eine Reihe von Cannabisterpenen[4] untersucht, um zu sehen, ob sie das Endocannabinoid-System aktivieren können. Hier zeigte Myrcen keine Aktivität an CB1- und CB2-Rezeptoren, was auf ausbleibende Synergieeffekte hindeutet. In einer anderen an der Dalhousie University in Kanada durchgeführten Studie[5] wurde bei Myrcen nach Belegen für den Entourage-Effekt gesucht, indem das Molekül in einem Mausmodell von chronischer Arthritis zusammen mit CBD verabreicht wurde. Die Forscher stellten zwar eine Verringerung der mit Schmerzen und Entzündungen verbundenen Marker fest, fanden jedoch keine Belege für einen Synergieeffekt.

Auch wenn Myrcen, soweit wir wissen, keinen Einfluss auf das klassische Endocannabinoid-System hat, könnte es auf indirektere Weise mit Cannabinoiden zusammenwirken. Das Terpen wirkt beispielsweise auf den a2-adrenergen Rezeptor – eine Stelle, die mit der Funktion des Endocannabinoid-Systems im Gehirn in Verbindung gebracht[6] wird. Durch die Bindung an diesen Rezeptor regt Myrcen die Freisetzung von Endorphinen an, die bei der Schmerzbehandlung mit Cannabinoiden wie THC zusammenwirken könnten.

Des Weiteren wirkt Myrcen auch auf das erweiterte Endocannabinoid-System. Während CB1- und CB2-Rezeptoren das klassische Endocannabinoid-System bilden, umfasst das viel größere Endocannabinoidom[7] etwa 20 Rezeptoren. Von diesen bindet Myrcen an den TRPV1-Rezeptor, ebenso wie die Cannabinoide CBD und CBG. Diese Aktivität eröffnet die Möglichkeit einer synergistischen Wirkung mit diesen Verbindungen sowie anderen Cannabinoiden und Terpenen.

A-Pinene

Entzündungshemmend
Bronchodilatator
Gedächtnisverbesserd
Antibakteriell

Kommt auch in Kiefernadeln vor


A-Pinene

Linalool

Anästhetikum
Krampflösend
Schmerzlindernd
Angstlösend

Kommt auch in Lavendel vor

Linalool

Beta-Caryophillene

Entzündungshemmend
Schmerzlindernd
Schützt Zellen Im Verdauungstrakt

Kommt auch in schwarzem Pfeffer vor

Beta-Caryophyllene

Myrcene

Trägt Zur Beruhigenden Wirkung Starker Indicas Bei
Einschlafhilfe
Muskelentspannend

Kommt auch in Hopfen vor

Myrcene

Limonene

Behandelt Sodbrennen
Angstlösend
Antidepressivum

Kommt auch in Zitrus vor

Limonene
 

Wo kommt Myrcen vor?

Myrcen kommt nicht nur in Cannabisblüten vor. Dieses Terpen findet sich im gesamten Pflanzenreich, auch in einigen der am häufigsten konsumierten Kräuter, Früchte und Gewürze. Zu den Arten mit besonders hohem Myrcen-Gehalt gehören Hopfen, Zitronengras, Mango, Thymian, Basilikum und Eisenkraut. In Cannabis erfolgt die Myrcenproduktion in den Trichom-Drüsen, die das Terpen in Form eines zähflüssigen Harzes zusammen mit vielen anderen Terpenen und Cannabinoiden absondern.

Aroma und Geschmack von Myrcen

Myrcen verleiht ausgewählten Cannabissorten köstliche Aromen. In der späten Blütephase und nach der Ernte wirst du bei diesen Blüten Düfte von Moschus, Erde, Früchten sowie einen Hauch von Nelken wahrnehmen. Was den Geschmack des Terpens Myrcen betrifft, wirst du jedes Mal, wenn du einen Zug von einer Sorte mit hohem Myrcen-Gehalt nimmst, Noten von Moschus, Kräutern und Gewürzen genießen können.

Wirkung von Myrcen

Die Wirkung von Myrcen lässt sich am besten als breit machend beschreiben. Traditionell wurde die entspannende, beruhigende Wirkung dieses Terpens fälschlicherweise dem Indica-Erbe einer Sorte zugeschrieben. Myrcen-reiche Sorten rufen eine starke körperliche Wirkung hervor, die die Augen rötet und Heißhunger auslöst. Doch wie genau erzeugt das Terpen diese Wirkung?

Forscher sind noch dabei, genau zu bestimmen, wie Myrcen im Körper wirkt. Die meisten Erkenntnisse stammen zwar aus Zell- und Tiermodellen, doch diese Studien bieten auch Einblicke in die möglichen Auswirkungen von Myrcen auf den Menschen. In einer in der Zeitschrift „Phytomedicine“ veröffentlichten Studie[8] wurde beispielsweise die entspannende Wirkung einer Reihe von Terpenen untersucht, die im ätherischen Öl von Lippia alba enthalten sind, darunter auch Myrcen. Die Forscher stellten fest, dass Dosen von 100 mg/kg Körpergewicht und 200 mg/kg Körpergewicht motorische Entspannungseffekte bewirkten und gleichzeitig die Schlafdauer unter dem Einfluss von Barbituraten verlängerten.

Diese Wirkungen wurden zwar bei Nagetieren und nicht beim Menschen beobachtet, sie stimmen jedoch mit den anekdotischen Berichten von Cannabiskonsumenten überein, die nach dem Konsum von Sorten mit hohem Myrcen-Gehalt von einer tiefen körperlichen Entspannung berichten.

Myrcene Cannabis Characteristics

Myrcen: Ein Blick auf die Forschung

Werfen wir nun einen genaueren Blick auf die verfügbaren Forschungsergebnisse zu diesem Terpen und seinem therapeutischen Potenzial. Diese Zell- und Tierstudien sowie in machen Fällen auch erste Humanstudien sind zwar noch sehr vorläufig, gewähren aber einen Ausblick, was größer angelegte Untersuchungen am Menschen in Zukunft aufdecken könnten. Sieh dir an, was wir bislang wissen.

  • Stress und Angst

In einer vorläufigen, in „Evidence-Based Complementary & Alternative Medicine“ publizierten Humanstudie[9] wurden die Auswirkungen von Myrcen-reichem ätherischen Cannabisöl (EO) auf das Gehirn und autonome Nervensystem (ANS) untersucht. Mithilfe von Elektroenzephalographie (EEG) maß das Forschungsteam die Gehirnaktivität von fünf gesunden Freiwilligen nach der Verwendung des Öls. Das Team kam zu folgendem Schluss: „Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Gehirnwellenaktivität und das autonome Nervensystem durch das Inhalieren von ätherischem Cannabis-sativa-Öl beeinflusst werden, was auf eine neuromodulare Aktivität bei Stress, Depressionen und Angstzuständen hindeutet.“

  • Epilepsie

In einer Studie[10] der Federal University of Ceará in Brasilien wurden β-Myrcen und andere Bestandteile des ätherischen Öls von Lippia alba in einem Epilepsiemodell an Mäusen getestet. Das Team stellte fest, dass verschiedene Myrcen-Dosen den Beginn von Anfällen verzögerten und auch die Überlebensrate von Mäusen nach dem Auftreten von Krämpfen erhöhten. Die Forscher geben an, dass Myrcen und andere Bestandteile „im Vergleich zu Kontrollgruppen eine signifikante Erhöhung der Latenzzeit von Krämpfen und der Überlebensrate aufwiesen“.

  • Antibakteriell

Wissenschaftler untersuchen[11] Terpene derzeit als mögliche Mittel zur Bekämpfung antibiotikaresistenter Infektionen. Von allen Bakterien, die Menschen infizieren können, ist Staphylococcus aureus besonders resistent gegen ansonsten wirksame Antibiotika. Aus diesem Grund haben Forscher der Showa Pharmaceutical University in Japan Myrcen gegen diese bedrohliche Mikrobe getestet. Das Team kam zu dem Schluss, dass „Myrcen als antibakterielles Mittel gegen S. aureus wirkt und einen wichtigen Beitrag zur antibakteriellen Wirkung von TTO [Teebaumöl] leistet“.

  • Antioxidans

Myrcen kann auch antioxidativ wirken, das heißt, es kann oxidativem Stress, Alterserscheinungen und degenerativen Erkrankungen entgegenwirken. In einer in der Fachzeitschrift „Aquaculture“ veröffentlichten Studie[12] wurde Karpfen, die Ammoniak ausgesetzt waren, Myrcen verabreicht. Die Forscher berichteten, dass „Myrcen mit 0,25–1 % und Menthol mit 0,25 % die antioxidativen, hämatologischen und enzymatischen Grundreaktionen verbesserten“. Eine weitere Studie[13], die in der Fachzeitschrift „Chemico-Biological Interactions“ veröffentlicht wurde, ergab, dass Myrcen in experimentellen Modellen von Magengeschwüren antioxidative Enzymaktivität induziert.

Forscher aus Argentinien sind außerdem der Meinung, dass ätherisches Hopfenöl als natürlicher Ersatz für synthetische Antioxidantien dienen könnte. Myrcen und β-Caryophyllen zeigten bei gemeinsamer Anwendung[14] gute Ergebnisse in beschleunigten Oxidationstests.

  • Schmerz und Entzündung

Die Nutzen des Terpens Myrcen könnten auch im Bereich von Schmerzen und Entzündungen zum Tragen kommen. In einer 2021 in „Pharmacological Reviews“ veröffentlichten systematischen Übersichtsarbeit[15] wird erichtet, dass Myrcen antinozizeptive, antiallodynische und antihyperalgetische Eigenschaften aufweist. Diese Begriffe beziehen sich auf die Fähigkeit, das Schmerzempfinden zu reduzieren, Schmerzen zu lindern, die durch normalerweise nicht schmerzhafte Reize verursacht werden, und die Schmerzempfindlichkeit zu verringern.

Weiterhin untersuchen Wissenschaftler das Potenzial von Myrcen, Entzündungen zu hemmen. In einer in der Fachzeitschrift „Molecules“ publizierten Studie[16] wurde der Einfluss von β-Myrcen auf Signalwege untersucht, die mit Darmentzündungen in Verbindung stehen. Genauer gesagt konzentrierte sich das Team auf MAP-Kinase-Signalwege, die an der Regulierung entzündungsfördernder Reaktionen beteiligt sind, und auf NF-κB-Signalwege, die an der Entzündungsreaktion beteiligte Gene regulieren.

  • Krebstherapie

Die Nutzen von Myrcen werden auch im Hinblick auf Krebserkrankungen untersucht. In einer Studie aus dem Jahr 2023 wurden mehrere verschiedene Terpene mithilfe von Zytotoxizitäts-, Zellproliferations-, Zellmigrations- und Morphologie-Analysen getestet. Von den vier getesteten Terpenen zeigte nur Myrcen „potenzielle biologische Aktivität“.

Im Kontext dieser Studie[17] führte Myrcen bei Krebszelllinien „... zu einem Stillstand der Proliferation, einer Abnahme der Motilität und zu morphologischen Veränderungen mit Verlust an Sphärizität und Dicke sowie zu DNA-Schäden“.

Myrcen: Ein breit machendes Cannabisterpen mit großem Potenzial

Falls du schon einmal Gras geraucht hast, dann hast du die Wirkung von Myrcen gespürt. Dieses kleine und flüchtige Monoterpen hat es in sich und verleiht bestimmten Cannabissorten eine körperlich breit machende Wirkung sowie Geschmacksnoten/Aromen von Moschus, Früchten und Gewürzen. In laufenden Studien werden die Nutzen von Myrcen weiter erforscht, wobei der Schwerpunkt auf Schmerzen, Entzündungen, Krebs, Epilepsie, Antibiotikaresistenz, antioxidativer Wirkung sowie Stress und Angst liegt. Auch wenn das alles vielversprechend klingt, müssen wir auf die Ergebnisse kontrollierter Humanstudien warten, bevor wir wirklich wissen, wie diese faszinierende Verbindung im menschlichen Körper wirkt.

External Resources:
  1. Therapeutic and Medicinal Uses of Terpenes https://www.ncbi.nlm.nih.gov
  2. Secondary Terpenes in Cannabis sativa https://www.mdpi.com
  3. Cannabis sativa terpenes are cannabimimetic and selectively enhance cannabinoid activity https://www.nature.com
  4. Terpenoids From Cannabis Do Not Mediate an Entourage Effect https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  5. Anti-Inflammatory and Analgesic Properties of the Cannabis Terpene Myrcene https://www.mdpi.com
  6. Cannabinoid modulation of alpha2 adrenergic receptor https://www.ncbi.nlm.nih.gov
  7. Overview of the Endocannabinoid System and Endocannabinoidome https://link.springer.com
  8. https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0944711304701786?via=ihub
  9. Cannabis Essential Oil: A Preliminary Study for the Evaluation of the Brain Effects https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  10. Anticonvulsant activity of essential oils and active principles from chemotypes https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  11. The Revaluation of Plant-Derived Terpenes to Fight Antibiotic-Resistant Infections https://www.mdpi.com
  12. Antioxidant, enzymatic and hematological responses of common carp https://www.sciencedirect.com
  13. The effect of a minor constituent of essential oil from Citrus aurantium https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  14. Antioxidant-efficient indicator determinate by the relationship between β-myrcene/caryophyllene https://www.sciencedirect.com
  15. Analgesic Potential of Terpenes Derived from Cannabis sativa https://pharmrev.aspetjournals.org
  16. β-Myrcene Mitigates Colon Inflammation by Inhibiting MAP Kinase and NF-κB Signaling Pathways https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
  17. Myrcene: A Natural Compound Showing Anticancer Activity in HeLa Cells https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
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