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Was ist Epidiolex und wie wirkt es?
Als orales Cannabis-Medikament gegen Anfälle enthält Epidiolex hohe Konzentrationen von CBD. Nach einer Reihe von Studien zu seiner Wirksamkeit hat die FDA den Gebrauch dieses Arzneimittels zugelassen. Inzwischen erforschen weitere Studien seine Anwendung bei Leiden wie chronischen Schmerzen und Angst. Doch wie steht es im Vergleich zu CBD da?
Inhaltsverzeichnis:
Epidiolex gehört zu einer als Medikamente auf Cannabisbasis bekannten Gruppe von Produkten. Während Ganzpflanzen-Extrakte Hunderte von verschiedenen Phytochemikalien enthalten, nutzen Medikamente auf Cannabisbasis 1–2 Moleküle von Interesse. Im Fall von Epidiolex verwenden die Hersteller das nicht-berauschende Cannabinoid CBD (Cannabidiol).
Nach einer Reihe von Humanstudien erlangte Epidiolex die Zustimmung der US-Behörde für Lebens- und Arzneimittel (FDA) als Behandlung für schwere Formen von Epilepsie. Finde alles Wissenswerte über diese Rezeptur heraus, unter anderem wie sie wirkt und wie sie sich mit CBD-Öl vergleichen lässt.
Was ist Epidiolex?
Epidiolex schrieb Geschichte als das erste von der FDA zugelassene verschreibungspflichtige CBD-Produkt. Die Innovation kommt vom im Vereinigten Königreich ansässigen Unternehmen GW Pharmaceuticals, das auch Sativex hervorbrachte – eine Zubereitung mit einem ausgewogenen THC-zu-CBD-Verhältnis. Jede Flasche Epidiolex enthält 100ml einer oralen Lösung und einen CBD-Gesamtgehalt von 10 000mg.
Die FDA gab Epidiolex grünes Licht, um speziell Patienten mit Anfällen in Verbindung mit Lennox-Gastaut-Syndrom und Dravet-Syndrom zu behandeln. Da diese neurologischen Erkrankungen auch kleine Kinder betreffen, hat die Behörde auf den Gebrauch der Zubereitung für Patienten ab zwei Jahren verwiesen.[1] Bislang haben über 15 000 Menschen Epidiolex erhalten, um diese Krankheiten zu behandeln.[2]
Wann wurde Epidiolex zugelassen?
Die FDA genehmigte Epidiolex am 25. Juni 2018. Nach einem Jahrzehnt der Prohibition auf Bundesebene signalisierte diese Entscheidung einen großen Wandel der Wahrnehmung von Cannabis innerhalb hochrangiger Behörden. Viele Cannabispuristen behaupteten (und behaupten immer noch), dass diese Entscheidung nur Riesenkonzernen nütze, die die Pflanze patentieren und von ihr profitieren wollen.
Ob dies nun stimmt oder nicht, eröffnete die bundesweite Zulassung von Epidiolex in den USA aus Sicht von Eltern, die die Anfälle ihrer Kinder reduzieren wollen, legale Möglichkeiten potenzieller Linderung.
Diese Entscheidung folgte auf eine Reihe von klinischen Versuchen, die eine signifikante Abnahme der Anfälle bei Teilnehmern zeigten, die mit dem Medikament auf Cannabisbasis behandelt wurden. Wenn mehr Versuche durchgeführt werden, könnten zukünftig auch andere Cannabinoid-Rezepturen zugelassen und erhältlich werden.
Scott Gottlieb, M.D., Leiter der FDA, erklärte in einer Pressemitteilung der FDA: "Diese Zulassung dient als Erinnerung, dass die Förderung von vernünftigen Entwicklungsprogrammen, die die in Cannabis enthaltenen Wirkstoffe sachgemäß beurteilen, zu wichtigen medizinischen Therapien führen kann. Und die FDA hat sich dieser Art von gewissenhafter wissenschaftlicher Forschung und Arzneimittelentwicklung verschrieben."[3]
Wie Epidiolex wirkt
Epidiolex nutzt die Kraft von CBD, um eine Vielzahl von an Epilepsie beteiligten Rezeptoren ins Visier zu nehmen. Viele Cannabinoide, darunter THC, üben ihre Wirkung über das Endocannabinoid-System (ECS) aus – einem "universellen Regulator" des menschlichen Körpers. CBD hingegen hat eine niedrige Bindungsaffinität für die Haupt-Rezeptoren, die dieses System bilden. Laufende Studien deuten vielmehr darauf hin, dass es hilft, das Feuern von Neurotransmittern über eine Reihe von anderen Stellen auszugleichen.
Die Wissenschaft hinter Anfällen
Bevor wir uns eingehender mit der Wirkweise von Epidiolex auf zellulärer Ebene befassen, müssen wir verstehen, wie Anfälle überhaupt entstehen. Unter normalen Umständen befinden sich die Neuronen im Gehirn in einem Gleichgewichtszustand. Die durch sie hindurchströmenden elektrochemischen Signale werden vom erregenden Neurotransmitter Glutamat und dem hemmenden Neurotransmitter GABA streng kontrolliert.
Im Ruhezustand enthalten Neuronen eine Menge positiv geladene Kaliumionen – das Mineral, das wir jedes Mal aufnehmen, wenn wir eine Banane essen. Auf der anderen Seite der Zellmembran befindet sich jedoch eine viel größere Anzahl von positiv geladenen Natriumionen, was im Inneren des Neurons einen negativ geladenen Zustand bewirkt.
Sobald ein elektrischer Impuls (in der Wissenschaft als Aktionspotenzial bekannt[4]) auf ein bestimmtes Neuron trifft, öffnen sich entlang der Membran verstreute Kanäle. Natrium strömt in die Zelle hinein, während Kalium hinausströmt. Dies lässt das Neuron von einer negativen zu einer positiven Ladung kippen und befördert das Signal von seinem Hals (dem Axon) zu seiner Spitze (der Synapse).
Hier bewirkt die Ladung, dass das Neuron Gehirnchemikalien in den schmalen Zwischenraum zwischen Neuronen (bekannt als synaptischer Spalt) freisetzt. Diese Moleküle schweben über den Spalt und binden an die Rezeptoren von benachbarten Zellen. Was als Nächstes geschieht, hängt von der Art des freigesetzten Neurotransmitters ab.
Glutamat (die Gehirnchemikalie, die Zellen erregt) bindet an Rezeptoren in der Nähe von Neuronen und erzwingt eine Öffnung von deren Ionenkanälen. Dadurch werden diese ebenfalls positiv geladen und tragen das elektrische Signal weiter. GABA (die Gehirnchemikalie, die Aktivität dämpft) bremst hingegen diesen Prozess. Es weist nahe gelegene Neuronen an, ihre Ionenkanäle zu schließen und das elektrische Signal zu unterbrechen.
Anfälle treten auf, wenn die Neurotransmitter-Werte nicht mehr stimmen. Während eines Anfalls werden Gruppen von Neuronen in bestimmten Regionen des Gehirns "hypersynchron" sowie erregbar und fangen an, immer und immer wieder elektrische Entladungen zu entsenden.[5] Dies geschieht entweder wegen zu viel Erregung (Glutamat-Freisetzung) oder zu wenig Dämpfung (reduzierte GABA-Freisetzung).
Genetische Faktoren, die eine lang anhaltende Aktivierung von Glutamat-Rezeptoren verursachen oder zu funktionsgestörten GABA-Rezeptoren führen, begünstigen Epilepsie. Ein plötzlicher Anstieg der neuronalen Erregbarkeit manifestiert sich als deutliche Anfallsymptome wie Zittern und Bewusstlosigkeit sowie subjektive Symptome des Patienten, einschließlich unnormaler Gerüche und Angstgefühle.
Wie Epidiolex Anfällen entgegenwirkt
Wie passt also Epidiolex in dieses Bild? Dieses Medikament auf Cannabisbasis beeinflusst zahlreiche molekulare Ziele, die in Anfälle verwickelt sind. Forscher versuchen immer noch, zu verstehen, wie genau CBD auf zellulärer Ebene wirkt, um übermäßige Erregbarkeit zu unterdrücken. Einige der vermuteten Wirkmechanismen sind unter anderem:
TRPV1 | CBD bindet an den vermeintlichen Cannabinoid-Rezeptor TRPV1. Diese Stelle reguliert Anfälle und erhöht die Glutamat-Freisetzung sowie den Calciumspiegel. Auch wenn dieser Mechanismus Anfälle befeuert, tritt der Rezeptor nach Aktivierung durch CBD in einen Zustand der Desensibilisierung ein.[6] |
T-Typ Calciumkanäle | Calcium spielt eine wichtige Rolle bei der Neurotransmitter-Freisetzung und dieser Rezeptortyp verursacht bei Aktivierung einen Calciumeinstrom in das Neuron. CBD blockiert diese Kanäle. |
Serotonin-Rezeptoren | Wenn es um Epilepsie geht, bleibt die Rolle von Serotonin-Rezeptoren unklar. CBD bindet jedoch an einige dieser Stellen und Forscher vermuten, dass dies den Wirkmechanismus des Moleküls unterstützen könnte.[7] |
Opioid-Rezeptoren | Bestimmte Opioid-Rezeptoren spielen bei Epilepsie eine Rolle und CBD blockiert sie, wenn es in hohen Konzentrationen vorliegt.[8] |
GPR55 | Manche Forscher haben GPR55 den dritten Cannabinoid-Rezeptor genannt. Diese Stelle reguliert die synaptische Übertragung und CBD bindet direkt an sie. |
TRPV1 | CBD bindet an den vermeintlichen Cannabinoid-Rezeptor TRPV1. Diese Stelle reguliert Anfälle und erhöht die Glutamat-Freisetzung sowie den Calciumspiegel. Auch wenn dieser Mechanismus Anfälle befeuert, tritt der Rezeptor nach Aktivierung durch CBD in einen Zustand der Desensibilisierung ein.[6] |
T-Typ Calciumkanäle | Calcium spielt eine wichtige Rolle bei der Neurotransmitter-Freisetzung und dieser Rezeptortyp verursacht bei Aktivierung einen Calciumeinstrom in das Neuron. CBD blockiert diese Kanäle. |
Serotonin-Rezeptoren | Wenn es um Epilepsie geht, bleibt die Rolle von Serotonin-Rezeptoren unklar. CBD bindet jedoch an einige dieser Stellen und Forscher vermuten, dass dies den Wirkmechanismus des Moleküls unterstützen könnte.[7] |
Opioid-Rezeptoren | Bestimmte Opioid-Rezeptoren spielen bei Epilepsie eine Rolle und CBD blockiert sie, wenn es in hohen Konzentrationen vorliegt.[8] |
GPR55 | Manche Forscher haben GPR55 den dritten Cannabinoid-Rezeptor genannt. Diese Stelle reguliert die synaptische Übertragung und CBD bindet direkt an sie. |
Nebenwirkungen von Epidiolex
Auch wenn die laufende Forschung vielversprechend aussieht, verspüren manche Patienten Nebenwirkungen bei der Einnahme von Epidiolex. Diese sind unter anderem:
Schläfrigkeit | Verminderter Appetit | Abgeschlagenheit | Unwohlsein |
Ausschlag | Schlaflosigkeit | Infektionen | Arzneimittelwechselwirkungen |
Schläfrigkeit | Verminderter Appetit |
Abgeschlagenheit | Unwohlsein |
Ausschlag | Schlaflosigkeit |
Infektionen | Arzneimittelwechselwirkungen |
Wofür wird Epidiolex eingesetzt?
Gegenwärtig hat die FDA die Nutzung von Epidiolex nur für Anfälle in Verbindung mit zwei spezifischen Erkrankungen zugelassen. Laufende Forschung untersucht jedoch weiterhin die Wirksamkeit für andere Krankheiten, darunter chronische Schmerzen und Angst.
Epidiolex gegen Anfälle
Von der FDA veröffentlichte Fachinformationen zur Verschreibung von Epidiolex beschränken die Anwendung auf Patienten mit zwei Formen von Epilepsie:
- Lennox-Gastaut-Syndrom: Eine schwere Form von Epilepsie, die sich in der frühen Kindheit manifestiert und häufig zu kognitiver Dysfunktion führt.
- Dravet-Syndrom: Eine seltene, arzneimittelresistente Form von Epilepsie, die in den ersten Lebensjahren Symptome zeigt.
Die Behörde basierte die Zulassung von Epidiolex auf Daten, die in vier entscheidenden klinischen Versuchen mit insgesamt 550 Teilnehmern gesammelt wurden, die jeweils entweder das Lennox-Gastaut- oder Dravet-Syndrom haben.[9] Eine dieser Studien, veröffentlicht in der Fachzeitschrift "Neurology", untersuchte die langfristige Sicherheit und Wirksamkeit von Epidiolex als ergänzende Behandlung für Patienten mit dem Lennox-Gastaut-Syndrom. Obwohl 11% der Teilnehmer den Versuch aufgrund von Nebenwirkungen abbrachen, gaben 88% eine Verbesserung ihres Zustands und eine Abnahme der Anfallshäufigkeit an.[10]
Eine weitere entscheidende Studie, diesmal in der Fachzeitschrift "Neuropediatrics" publiziert, untersuchte die langfristige Sicherheit und Wirksamkeit von Epidiolex bei Patienten mit dem Dravet-Syndrom. Insgesamt 264 Patienten nahmen an der Studie teil und die Forscher stellten über einen Zeitraum von 48 Wochen eine Abnahme der Anfallshäufigkeit und Verbesserungen des Zustands der Patienten fest.[11]
Epidiolex gegen chronische Schmerzen
Laufende Studien erforschen die Rolle von Epidiolex bei der Behandlung von chronischen Schmerzen. Die Fähigkeit von CBD, an Serotonin-Rezeptoren sowie an TRP-Kanäle zu binden, ermöglicht dem Cannabinoid, auf Leitungsbahnen zu wirken, die an der Schmerzsignalübertragung und dem Entzündungsvorgang beteiligt sind.[12] Es ist jedoch eine Reihe von hochwertigen klinischen Versuchen erforderlich, bevor Behörden die Zulassung von Epidiolex für diesen Zweck in Erwägung ziehen werden.
Epidiolex gegen Angst
Etliche anekdotische Berichte beschreiben das Potenzial von CBD, den Geist und Körper zu beruhigen. Eine Handvoll Menschenversuche haben CBD ebenfalls als Behandlungsoption für Angst erforscht. Bildgebungsstudien haben untersucht, wie das Cannabinoid den Blutfluss in entscheidende Gehirnregionen verändert[13] und Versuche testeten das Molekül sogar in einem simulierten öffentlichen Vortragsszenario.[14] Auf diesem Gebiet zeigt CBD Potenzial, aber es sind mehr Versuche vonnöten, um Behörden wie die FDA dazu zu bringen, Epidiolex für diese Anwendungen zuzulassen.
Ist Epidiolex das gleiche wie CBD-Öl?
Auch wenn sie denselben Hauptinhaltsstoff gemeinsam haben, sind Epidiolex und CBD-Öl nicht dasselbe. Jede Flasche Epidiolex enthält eine hochgradig standardisierte Rezeptur, die aus 10 000mg CBD und inaktiven Inhaltsstoffen wie Aldehyd, Sesamöl, Erdbeeraroma und Sucralose besteht – diese Zusammensetzung ändert sich nie.
CBD-Öle sind dagegen in einer gewaltigen Auswahl von Rezepturen erhältlich. Du wirst verschiedene Inhaltsstoffe, Aromen und Konzentrationen finden. CBD-Öle enthalten auch mehr Cannabis-Phytochemikalien als Epidiolex, wie zum Beispiel aromatische Terpene und zusätzliche nicht-psychotrope Cannabinoide wie CBG und CBN, die zusammenwirken, um den Entourage-Effekt zu erzeugen.[15]
Trotz des Mangels an phytochemischer Vielfalt erhalten Patienten aufgrund des strengen pharmazeutischen Herstellungsprozesses von Epidiolex jedes Mal genau das, was sie erwarten. Diese Standardisierung führt zu akkurater Dosierung und strikten Qualitätskontrollen, die erforderlich sind, damit Produkte eine FDA-Zulassung erhalten. Vorläufig hat die FDA Epidiolex auf eine enge Auswahl von Krankheiten beschränkt. Da es jedoch weiterhin erforscht wird, hat es den Anschein, dass dieses Medikament auf Cannabisbasis zukünftig helfen wird, die Symptome von weiteren Erkrankungen zu lindern.
- EPIDIOLEX® (cannabidiol) oral solution https://www.accessdata.fda.gov
- FDA Approved Drug | EPIDIOLEX® (cannabidiol) https://www.epidiolex.com
- FDA Approves First Drug Comprised of an Active Ingredient Derived from Marijuana to Treat Rare, Severe Forms of Epilepsy | FDA https://www.fda.gov
- The action potential in mammalian central neurons | Nature Reviews Neuroscience https://www.nature.com
- Synchronization and desynchronization in epilepsy: controversies and hypotheses - PubMed https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- TRPV1 Channel: A Potential Drug Target for Treating Epilepsy https://www.ncbi.nlm.nih.gov
- Use of Cannabidiol in the Treatment of Epilepsy: Efficacy and Security in Clinical Trials https://www.ncbi.nlm.nih.gov
- Delta opioid receptors in brain function and diseases https://www.ncbi.nlm.nih.gov
- Drug Trials Snapshots: Epidiolex | FDA https://www.fda.gov
- Long-term Safety and Efficacy of Add-on Cannabidiol (CBD) Treatment in Patients with Lennox Gastaut Syndrome in an Open-label Extension Trial (GWPCARE5) (P5.5-001) | Neurology https://n.neurology.org
- Long-term cannabidiol treatment in patients with Dravet syndrome: An open-label extension trial - PubMed https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- An Update of Current Cannabis-Based Pharmaceuticals in Pain Medicine - PubMed https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- P.3.006 Effects of cannabidiol (CBD) on regional cerebral blood flow | Request PDF https://www.researchgate.net
- Cannabidiol reduces the anxiety induced by simulated public speaking in treatment-naïve social phobia patients - PubMed https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov
- Taming THC: potential cannabis synergy and phytocannabinoid-terpenoid entourage effects - PubMed https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov